[Rezension & Systemvorstellung] – Darkly Through the Labyrinth
Ich möchte euch ein Rollenspiel vorstellen, auf das ich eher zufällig bei DriveThruRPG gestoßen bin. Es trägt den klangvollen Namen Darkly Through the Labyrinth (DTtL) und stammt aus der kleine RPG-Schmiede Abstract Nova. Erschienen ist es schon 2014 und für den niedrigen Preis von $ 4,95 zu haben.
Was mich letztlich zum Kauf bewogen hat, das war das Thema des Spiels: Die Spielercharaktere sind ein Team einer FBI-Taskforce, welche Verbrechen mit okkultem Hintergrund untersucht. Den zeitlichen Rahmen bildet die Zeit der Satanisten-Paranoia in den USA der 80er-Jahre.
Polizei-Settings sind ja an sich ein rares Gut, aber was zusätzlich heraussticht ist, dass dieses Spiel keinerlei übernatürliche Mächte vorsieht. Das Böse sind immer Menschen, sprich die Kultmitglieder, der Serienkiller. Was für Wesenheiten auch immer sie sich einbilden mögen, in deren Diensten sie angeblich stehen, diese existieren nur in ihrem Kopf. Dabei lehnt sich DTtL stark an einschlägige Filme (Roter Drache, Schweigen der Lämmer) und Serien (True Detective) an, will also eher ein glaubhaft-dramatisches, als ein realistisch-simulationistisches Polizeispiel sein, was ich persönlich sehr begrüße. Was hat dieses Spiel zu bieten?
Die Äußerlichkeiten
Das PDF hat 69 Seiten, worauf je eine auf Cover, Index und Charakterbogen entfallen. Bis auf das Cover ist das gesamte Werk schwarz-weiß. Die Illustrationen sind leicht comichaft und stammen alle aus der Hand des Zeichners Jeff Ward. Das gibt dem Werk einen einheitlichen Look. Die Bilder zeigen alle Szenen von Ermittlern oder Kultisten und vermitteln ganz gut die Modern Gothic-Atmosphäre, die sich das Spiel zu eigen machen will. Sie wirken zwar unheimlich, sind aber keinesfalls Schreckens-Voyeurismus, wie es das Spiel insgesamt nicht ist.
Das Layout ist sehr übersichtlich: Zwei Spalten, nicht zu vollgestopft, ausreichend große Schrift. Zudem sind die Seiten nicht in DIN A4-Format, was auf den ersten Blick ungewohnt wirkt, andererseits dazu führt, dass die Seiten sich viel besser im Acrobat Reader lesen lassen. Sehr angenehm.
Das Setting
Wie eingangs erwähnt, spielt man FBI-Agents, die Verbrechen mit kultischem, rituellen und/oder okkultem Hintergrund untersuchen. Genauer ist man Mitglied einer (fiktiven) Taskforce innerhalb der (real existierenden) Behavioral Science Unit des Bureau. Als verantwortlicher Vorgesetzter wird ein Jim Lewis präsentiert und mit ein wenig Hintergrund ausstaffiert. So erfährt man u.a., dass er die Taskforce nach seinen Erlebnissen bei den Ermittlungen zum Jonestown-Massaker in Leben gerufen hat, um solch extremen Auswirkungen von Fanatismus zukünftig entgegen zu wirken.
Leider war es das auch schon an explizitem Settingmaterial. Die ganze Sache mit der Paranoia in den 80er-Jahren wird nur dann und wann in einzelnen Sätzen angerissen, was ungünstig ist, weil man als Europäer da kaum drinsteckt. Es gibt auch keine wirklichen Informationen, wie man Serienkiller und Kultaktivitäten für den Spieltisch gestalten könnte. Die einzige Inspiration erhält man eigentlich aus den Beispielen zu den Regel, die dann aber tatsächlich ganz gut sind. Trotzdem hätte ich mir hier etwas mehr gewünscht. Andererseits ist mir auch klar, dass das Feld so divers wie die (in diesem Fall verdrehte) menschliche Psyche ist, und man letztlich doch keinen wirklichen Überblick hätte schaffen können, der in in ein Rollenspielregelwerk passt. Außerdem gibt es zugegebenermaßen in der Pop-Kultur, auf Wikipedia, in den Crime-Sonderheften, die manche Zeitschriften neuerdings herausbringen, und den umfangreichen True Crime-Abteilungen im Buchhandel genug Material. Dass man genau dieses nutzt, davon gehen die Macher auch aus.
Deshalb kann ich das Fehlen von Settingmaterial, was für jedes andere Spiel tödlich wäre, hier auch nicht als allzu großes Manko empfinden, sondern eher als vertane Chance dem Leser doch noch etwas mehr zu bieten.
Die Regeln
Wo der Hintergrund der eigenen Fantasie und Recherche überlassen bleibt, da bilden die Regel natürlich den eigentlichen Kern des Produkts. Und tatsächlich überzeugen sie mich bei DTtL. Sie sind vom Prinzip her sehr einfach , außerdem fordern und fördern sie kreative Beschreibung der Situationen.
Die Prämisse eines jeden Charakters ist, dass er ein fertig ausgebildeter FBI-Agent mit etwas Erfahrung im Einsatz ist, worunter bereits einer in der Taskforce war.
Zunächst einmal fällt schon das Charakterprofil durch relativ wenige, aber prägnante Werte auf:
Methods und Grundmechanik
Das was in anderen Systemen die Attribute sind, übernehmen hier die sogenannten Methods. Der Name ist Programm: Sie beschreiben wie der Charakter eine Sache angeht, statt seine geistigen und körperlichen Attribute sklavisch in ein Korsett zu pressen. Es gibt Ingenuity (Logik und Kombinationsgabe), Instinct (Instinkt halt und Intuition) und Resolve (Hartnäckigkeit und Ausdauer). Diese drei sind die absoluten Basisbezugswerte in eigentlich fast allen Belangen. Ähnlich wie bei Savage Worlds sind die Werte in Würfelgrößen angegeben, von W4 bis W20. Wie hoch der Würfel für eine Method ist, wird bei der Charaktererschaffung nach einem Schlüssel festgelegt. Die Werte werden dabei zwischen W4 und W10 liegen.
Die Grundmechanik besteht darin, dass der Spieler, wenn er ein Ziel (Goal als regeltechnischer Begriff im Englischen) erreichen will, eine Method aussucht und dann erklärt, wie er das Ziel mit ihr erreichen will. Die Aktionen, die er beschreibt, um das Ziel zu erreichen, müssen dabei die Wahl der Method rechtfertigen. Das fördert erzählerisches Spiel und kreative Problemlösung. Und es soll verhindert werden, dass ein Spieler immer stumpf die Method mit dem höchsten Wert wählt. Hat der Spieler dies gemacht, würfelt er seinen Method-Würfel und einen Difficulty-Würfel. Dieser stellt die vom SL bestimmte Schwierigkeit zum Erreichen des Ziels dar. Ist das Ergebnis von Ersterem höher oder gleich dem von Letzterem, so erreicht der Spieler sein Ziel. Auf dieser sehr einfachen Mechanik basiert das ganze Spiel. Ein Wurf mit zwei Würfeln. Einzige Ausnahme ist, wenn man im Kampf jemanden verwunden will. Dann muss man öfters hintereinander würfeln.
Trainings, Specialities und Proficiencies
Erwähnter Method-Würfel hat meist den auf dem Charakterbogen angegebenen Wert. Was sich hingegen fast immer ändern wird, ist der Wert des Difficulty-Würfels, nachdem der SL ihn festlegt hat. An dieser Stelle kommen die anderen Werte der Charaktere ins Spiel. Die Skills der SC sind in sogenannten Trainings zusammengefasst. Das sind die Bereiche Academics, Defense und Fieldwork, in denen jeweils fünf entsprechende Skills liegen (z.B. Law in Academics, Firearms in Defense usw.). Da dies Dinge sind, die jeder Agent lernt, kann jeder Charakter grundsätzlich erst einmal alles davon. Nur halt unterschiedlich gut! Deshalb wählt man bei der Charaktererschaffung ein primäres, ein sekundäres und ein tertiäres Training. Bei einem Wurf zum erreichen eines Ziels wird geschaut, ob eines des Trainings relevant ist, was oft der Fall sein dürfte. Ist das relevante Training das primäre, so sinkt der Wert des Difficulty-Würfels um zwei Stufen (z.B. von einem W12 auf einen W8). Beim sekundären Training ist es entsprechend eine Stufe und beim tertiären keine.
Nach einer ähnlichen Art funktionieren auch die Specialities. Das sind Fähigkeiten und Wissensgebiete, die nicht von den Skills innerhalb der Trainings abgedeckt werden, und daher nicht allen Charakteren zur Verfügung stehen, sondern extra gewählt werden müssen. Das kann bspw. Hubschrauberfliegen sein oder Wissen über Okkultismus.
Darauf werden noch einmal drei Proficiencies verteilt. D.h. man wählt einen Skill im Bereich einer der Trainings (z.B. Law unter Academics) oder eine Speciality und darf, wann immer relevant, den Difficulty-Wurf um eine (weitere) Stufe senken.
Da das vielleicht etwas kompliziert klingt, gibt es jetzt ein Beispiel:
Agent Meyers befragt den Farmer Tom als Zeugen. Der Spieler entscheidet, dass Instinct als Method dienen soll, weil Meyers auf die Nuancen im Gespräch hört, um möglichst viele Informationen aus dem Farmer herauszukriegen. Der Instinct-Wert von Meyers beträgt W8. Nun ist Tom ein sturer alter Bock, der die Regierung nicht besonders mag, weshalb der SL die Difficulty auf einen W12 festlegt. Befragung (Interviewing) gehört zum Training Fieldwork, welches bei Meyers als sekundär festgelegt ist. Damit sinkt die Difficulty auf einen W10. Zusätzlich hat der Spieler Meyers den Skill Interviewing als Proficiency gegeben, womit die Difficulty noch einmal um eine Stufe sinkt und nun bei W8 liegt.
So viel zur Grundmechanik. Wie gesagt, funktioniert das gesamte Spiel damit. Das hat den angenehmen Effekt für den Spielleiter, dass er keine Werte für NSC vorbereiten muss. Der einzige Wert der verwaltet werden muss ist Vitality (dazu unten) und auch der nur im Kampf. Der Rest ist von der gesunden Einschätzung des SLs abhängig.
Weitere Werte
Da ich hier nicht das ganze System nacherzählen will, reiße ich hier die restlichen Werte nur an.
Fortitude ist, wie alle anderen Werte ebenfalls als Würfelgröße, angegeben. Er startet bei der Charaktererschaffung mit W4, kann sich im Laufe der Kampagne aber noch steigern (man kann sogar mehrere Fortitude-Würfel erwerben). Wenn man bei einem Wurf scheitert, dann darf man ihn wiederholen, nur dass man statt dem für die Method den Fortitude-Würfel nimmt.
Vitality und Composure geben die physische Gesundheit bzw. die nervliche Stabilität an. Sie starten bei W20 und können natürlich im Laufe der Spielsitzung fallen, durch Kampf oder schreckliche Erlebnisse (aber auch wieder steigen). Der Wert deckelt die Höhe des Method-Würfels der Spieler. Hat ein Charakter bspw. nur noch einen Vitality-Wert von W8, dann kann der Spieler statt des W10 für seinen Resolve-Wert halt nur einen W8 werfen.
Qualities sind kurze Worte die eine Eigenschaft des Charakters bezeichnen, z.B. Athletic, Attractive, Fearless. Jeder Charakter hat eine Quality. Bei einem Wurf kann man nun überlegen, ob diese Quality hilfreich ist. Wenn man einem Verdächtigen hinterher spurtet, dann ist Athletic z.B. sehr nützlich. In einem solchen Fall darf man dann seinen Method-Würfel um eine Stufe erhöhen.
Scars sind die seelischen Narben, die ein Charakter bereits ins Spiel mitbringt. Sie kommen in zwei Graden (Major und Minor) und haben je nach dem unterschiedliche Auswirkungen im Spiel.
Spielleiterhinweise
In diesem Kapitel wird erläutert, wie man eine Story aufbaut, die Difficulties festlegt und mit der Stimmung arbeitet. Im Grunde also wie in jedem Spielleiterteil eines Regelwerks. Das Ganze ist gut umgesetzt und bietet auch für erfahrenere SL Mehrwert, da Ermittlungsszenarios noch mal ihre eigenen Tücken haben. Mit diesen umzugehen lernt man hier ganz gut.
An dieser Stelle möchte ich dann doch noch einmal auf eine Besonderheit aufmerksam machen, bei der Mechanik und Szenariogestaltung ineinandergreifen: Das Profiling.
Das Profiling ist ein Wurf, wie oben beschrieben, der allerdings immer über die Method Ingenuity läuft. Das ist einer der wenigen Würfe, bei denen die Spieler die Method nicht frei wählen dürfen. Er findet nach der Besichtigung eines Tatorts statt. Anhand von Dingen, die den Charakteren am Tatort aufgefallen sind, können sie nun ein Profil erstellen, wobei sie Merkmale im Profil des Täters an eben jenen Auffälligkeiten am Tatort festgemacht werden. Je mehr Auffälligkeiten des Tatorts sie nutzen, desto leichter wird der Wurf für sie. Bei Gelingen des Wurfes gilt das erstellte Profil für das Szenario. D.h. die Spieler definieren ihren Antagonisten teilweise mit. Zwar nicht wer er ist, aber wie er ist.
Fazit
Ich persönlich mag DTtL sehr gerne. Wie beschrieben, ist es eher ein Regel- als ein vollständiges Spielsystem. Es bildet das Spiel von einschlägigen Polizeiserien und -filmen gut ab. Theoretisch muss man damit nicht einmal in den 80er-Jahren spielen und auch keine Kulte/Serienmörder zum Thema machen, auch wenn Mechaniken wie das Profiling letzteres unterstützen. Wer also Interesse an diesem Setting hat, der sollte zugreifen. Es ist leicht zu lernen und bringt vom System her eine Menge Kreativität mit ins Spiel.
Auch die Gestaltung des PDFs ist gelungen und übersichtlich. Es fällt allerdings auf, dass einige Redundanzen dabei sind. Viele der Regeln werden bereits im Kapitel Characters erklärt, um dann im Kapitel Rules noch einmal ausführlicher beleuchtet zu werden. Ich denke, dass das der erwähnten Tatsache geschuldet ist, dass fast nur Regeln beschrieben werden und entsprechend auch die Charaktere nur über solche im Regelwerk dargestellt werden können.
Insgesamt aber eine Empfehlung von mir, zumal man bei dem niedrigen Preis nicht viel falsch machen kann.